Im Fokus: Peter Lindbergh

 

"For me, every photograph is a portrait; the clothes are just a vehicle for what I want to say. You’re photographing a relationship with the person you’re shooting; there’s an exchange, and that’s what that picture is."
Peter Lindbergh

 

Ausdrucksstark, kraftvoll, poetisch und oft melancholisch sind die Bilder des deutschen Fotografen Peter Lindbergh (*1944), der mit seinen Modefotografien weltweit berühmt wurde. Im Taschen-Verlag ist jetzt ein prächtiger Bildband mit über 500 Seiten erschienen, der Fotografien aus vierzig Jahren versammelt. „A Different Vision on Fashion Photography“ begleitet die gleichnamige Retrospektive der Kunsthal Rotterdam.

Der Band würfelt die Fotografien aus den verschiedenen Jahrzehnten bunt durcheinander; Struktur geben Kapitel, welche nach den Modeschöpfern unterteilt sind, in deren Auftrag Lindbergh arbeitete: von A wie Armani bis V wie Versace. Doch obwohl Lindbergh sich als Modefotograf einen Namen machen sollte, ist Mode für ihn oft nur Requisit und nicht zentrales Element seiner Shootings.

Mit vielen seiner Modelle, die sich im Bildband wiederfinden, verbindet Lindbergh mehr als eine Arbeitsbeziehung. Über die Jahre arbeitete er immer wieder mit ihnen zusammen: Nadja Auermann, Christy Turlington, Helena Christensen und Kate Moss sehen wir sowohl am Anfang ihrer Karrieren als auch mit aktuellen Bildern. Lindberghs ikonischen Fotografien wird es zugeschrieben, dass Ende der 80er Jahre aus ihnen Supermodelle wurden.

Es sind starke und unabhängige Frauen, für die sich Lindbergh interessiert, und die er am liebsten ganz ungeschminkt fotografiert. Mittlerweile entstehen seine fast ausschließlich schwarz-weißen Fotografien digital, in der Nachbearbeitung fügt Lindbergh lediglich grobes Korn hinzu. Photoshop-Retusche ist ihm verpönt.

Mein Fazit: Ein wirklich großartiger Bildband, der gerade durch das Nebeneinander von alten und neuen Fotografien frisch wirkt und immer wieder spannende Momente erzeugt. Nach dieser Überdosis an Schönheit frage ich mich aber auch, wie sie aussehen könnten: die Fotos, die Peter Lindbergh von ganz gewöhnlichen und unbekannten Menschen machen würde. Wäre schön zu sehen – in einem ganz anderen Bildband.

Wer mehr über den Fotografen und Menschen Peter Lindbergh erfahren möchte, dem sei die Dokumentation "Deutschland deine Künstler – Peter Lindbergh" ans Herz gelegt. Peter Lindbergh erzählt von seiner Kindheit im Duisburg der 1940er Jahre, davon, wie er die Fotografie eher zufällig für sich entdeckte, von seinem Werdegang und von seinen Inspirationen. Seit Ende der 70er Jahre lebt Peter Lindbergh in Paris, wo wir ihm bei einigen seiner Fotoshootings über die Schulter schauen können. Auch Wegbegleiter und Freunde kommen zu Wort: Wim Wenders, Jim Rakete und sein Verleger Lothar Schirmer. Wir können einen leidenschaftlichen Fotografen erleben, der angetrieben ist von einem unverfälschten Interesse an Menschen und ihren Gefühlen. Es ist eine Freude ihm zuzuhören und zuzuschauen.

Die große Lindbergh-Retrospektive ist noch bis Februar 2017 in der Kunsthal Rotterdam zu sehen. Wie schön, dass sie anschließend nach München weiterzieht! Also schon einmal notieren: Peter Lindbergh vom April bis August 2017 in der Kunsthalle München. Ich fahre auf jeden Fall hin!